Keine Mithaftung für Kredit bei offensichtlicher finanzieller Überforderung

Keine Mithaftung für Kredit bei offensichtlicher finanzieller Überforderung

Eine junge Frau haf­tet trotz Mit­zeich­nung des Kre­dit­ver­tra­ges nicht für die hohen Kre­dit­schul­den ihres vor­ma­li­gen Part­ners. Dies hat das Ober­lan­des­ge­richt Ol­den­burg ent­schie­den. Die Ver­trags­ab­re­de sei sit­ten­wid­rig, weil die Bank bei Ver­trags­schluss ge­wusst habe, dass sich die Frau mit ihrer Mit­haf­tung ihrem Freund zu­lie­be fi­nan­zi­ell über­nimmt. Es wi­der­spre­che dem An­stands­ge­fühl aller bil­lig und ge­recht Den­ken­den, wenn Ban­ken ein sol­che Si­tua­ti­on aus­nutz­ten.

Die Anfang 20-Jährige verdiente als Verkäuferin in einer Bäckerei monatlich circa 1.300 Euro netto. Sie unterschrieb neben ihrem Freund einen Darlehensvertrag über rund 90.000 Euro mit einer monatlichen Rate von knapp über 1.000 Euro. Der Freund wollte mit dem Geld alte Kredite umschichten und ein Auto kaufen.

Zwei Jahre später kündigte die Bank den Kreditvertrag, weil der Freund die Raten nicht mehr bediente. Sie stellte die Restforderung von rund 50.000 Euro fällig. Weil der Freund, mit dem die Frau mittlerweile nicht mehr zusammen ist, das Geld nicht bezahlte, verklagte die Bank die Frau. Das LG Osnabrück verurteilte sie zur Zahlung des Betrages.

Mithaftung begründende Vertragsabrede ist nichtig

Auf die Berufung der Frau hat das OLG die Klage der Bank nun abgewiesen. Die Frau sei keine echte Darlehensnehmerin, sondern habe lediglich eine Mithaftung übernommen. Es handele sich daher um eine einseitig belastende Vertragsabrede. Eine solche Abrede sei zwar möglich, im konkreten Fall aber wegen der Gesamtkonstellation und der offensichtlichen, krassen finanziellen Überforderung der Frau sittenwidrig und damit nichtig.

Der Bank sei bei Vertragsschluss die emotionale Verbundenheit der Frau zu ihrem Freund bekannt gewesen, ebenso deren beengte finanzielle Verhältnisse, also die Tatsache, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren könne. Es widerspreche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken ein solche Situation ausnutzten.

Die klagende Bank habe die sich daraus im konkreten Einzelfall ergebende Vermutung der Sittenwidrigkeit nicht widerlegen können. Insbesondere spreche es nicht gegen eine Sittenwidrigkeit, dass die junge Frau bei Vertragsschluss nichts von ihrer prekären Situation ahnte, weil sie irrtümlich glaubte, es gehe nur um 7.500 Euro für das Auto.

OLG Oldenburg, Urteil vom 29.06.2023 – 8 U 172/22

(Quelle: Redaktion beck-aktuell)